An einem kühlen Februarmorgen in Stuttgart betritt Ola Källenius das Designstudio von Mercedes-Benz. Kein Anzug, kein großes Gefolge – nur ein ruhiger Blick, ein Tablet in der Hand, und eine Frage, die alles verändern könnte: „Wie fühlt sich Luxus an, wenn er elektrisch ist?“
Diese Frage treibt ihn an – nicht erst seit gestern, sondern seit Jahren. Källenius ist kein Typus „klassischer Automanager“. Kein Mann der lauten Auftritte, sondern der tiefgreifenden Transformation. Als erster nicht-deutscher Vorstandsvorsitzender in der Geschichte von Mercedes-Benz ist er vieles: Übersetzer zwischen Welten, Stratege mit nordischer Nüchternheit – und Visionär, der einen Jahrhundertkonzern in die elektrische Zukunft führen will.
Ein Schwede in Stuttgart
Geboren 1969 in Västervik, einem kleinen Ort an der schwedischen Ostküste, war Ola Källenius nie ein lauter Träumer. Er war der stille Beobachter, der sich früh für Technik interessierte, aber ebenso für wirtschaftliche Zusammenhänge. Sein Weg führte ihn von der Schule direkt in ein internationales BWL-Studium – kombiniert mit technologischem Feinsinn, später ergänzt durch ein MBA-Programm. Kein klassischer Ingenieur, aber jemand, der Technologie versteht.
Stuttgart wurde seine Wahlheimat – eine Entscheidung, die für viele ungewöhnlich war. Der Schwede bei Daimler? Und doch passte er ins Bild: zurückhaltend, sachlich, aber mit klarem Kompass. 1993 begann seine Karriere bei Mercedes-Benz – still, aber stetig.
Vom AMG-Mann zum Architekten der Strategie
Es ist eine der wenig bekannten Geschichten in der Automobilwelt: Wie Ola Källenius, als junger Manager, AMG auf internationale Beine stellte. Unter seiner Führung wurde die Performance-Tochter nicht nur stärker vermarktet, sondern auch profitabler und digitaler gedacht. Statt sich mit PS-Zahlen zu brüsten, fragte er früh: „Wie bleibt Faszination relevant, wenn Fahrgeräusche verstummen?“
Diese Weitsicht katapultierte ihn weiter nach oben: erst ins China-Geschäft – wo er lernte, was Tempo wirklich bedeutet – und schließlich in den Vorstand. 2015 übernahm er die Verantwortung für Forschung & Entwicklung, dort, wo neue Mobilität nicht nur geplant, sondern erfunden wird.
Mercedes neu denken: Der stille Kurswechsel
Källenius’ größter Coup war wohl sein sanfter Paukenschlag im Jahr 2019. Mit der Übernahme des CEO-Postens leitete er den wohl tiefgreifendsten Wandel in der Geschichte des Unternehmens ein – weg vom „Autohersteller“, hin zum „Mobilitätsanbieter mit Luxusanspruch“.
Die EQ-Modelle waren nicht bloß neue Autos – sie waren ein kultureller Bruch mit der Vergangenheit. Der Stern, einst Synonym für Hubraum und Prestige, wurde unter Källenius zu einem Symbol für elektrische Eleganz. Doch der Weg war (und ist) steinig. Kritik am Abbau traditioneller Strukturen? Gab es. Skepsis wegen der Geschwindigkeit der Transformation? Lautstark.
Doch Källenius blieb unbeirrt. Seine Strategie: Visionen mit Daten untermauern, Gespräche führen, aber nie revidieren, was er für richtig hält.
Elektrisch. Digital. Nachhaltig. Und trotzdem Mercedes.

Was Källenius wirklich von anderen unterscheidet, ist sein Verständnis von Luxus. Für ihn ist Luxus kein Glanz vergangener Tage, sondern das Versprechen einer besseren Zukunft. Elektrifizierung ist dabei kein Ziel, sondern Voraussetzung. Bis 2030 will Mercedes dort, wo möglich, nur noch elektrische Modelle verkaufen. Parallel investiert der Konzern in Batterieforschung, KI-Systeme, Ladeinfrastruktur und Softwarelösungen – nicht als Ergänzung, sondern als Herzstück des Produkts.
Mercedes wird – so Källenius’ Plan – zur Tech-Company mit Stern.
Persönlichkeit statt Pressekonferenzen
Während andere CEOs sich auf Titelseiten inszenieren, bleibt Källenius im Hintergrund. Interviews gibt er sparsam, Pressekonferenzen sind präzise, nie überzogen. Kollegen beschreiben ihn als fokussiert, detailverliebt, aber nicht kontrollierend. Seine Führungsphilosophie erinnert mehr an einen Orchesterleiter als an einen Kommandanten: Er gibt Ton und Tempo an – doch er will, dass jeder Bereich im Takt bleibt.
Privat lebt er in Stuttgart, ist verheiratet, Vater. Jogging am frühen Morgen, klassische Musik am Abend – das Bild eines Managers, der sich selbst nicht inszenieren muss, weil er mit dem Konzern spricht, den er führt.
Herausforderungen: Kritik, Kulturwandel und China
Natürlich ist der Kurs nicht ohne Widerstand. Die Elektrowende fordert nicht nur Technik, sondern Kultur. In den Werkshallen, in der Belegschaft, bei den Händlern. Es geht nicht nur um neue Fahrzeuge, sondern um neue Denkweisen. Källenius weiß das – und begegnet der Kritik mit Transparenz und Klartext.
Gleichzeitig bleibt China eine doppelte Herausforderung: wichtigster Absatzmarkt, aber auch geopolitisch sensibel. Der CEO steuert zwischen Interessen und Ideologien – mit nordischer Ruhe.
Was bleibt? Eine leise Revolution
Wenn man heute über Ola Källenius spricht, dann vielleicht nicht im Tonfall der großen Helden-Erzählung. Sondern mit Respekt für jemanden, der Wandel nicht fordert, sondern verkörpert. Mercedes-Benz war nie schneller, nie entschlossener und nie visionärer unterwegs als unter seiner Führung.
Er ist kein Elon Musk. Kein Lautsprecher. Sondern ein Mann, der die Autoindustrie umkrempelt – im Anzug, mit ruhiger Stimme, mit Agenda.
Und vielleicht ist genau das die größte Innovation: eine Revolution, die nicht brüllt, sondern wirkt.
FAQ zu Ola Källenius
Wer ist Ola Källenius?
Ein schwedischer Manager, seit 2019 CEO der Mercedes-Benz Group AG, der für die elektrische und digitale Transformation des Konzerns steht.
Wie verlief seine Karriere?
Start 1993 bei Mercedes-Benz, Stationen bei AMG, in China und der Entwicklung. 2015 Vorstand, 2019 CEO.
Was ist seine Strategie?
Elektrifizierung („Electric only“ ab 2030), digitale Dienste, Nachhaltigkeit und Fokus auf Tech-Luxus.
Was unterscheidet ihn von anderen CEOs?
Sein ruhiger Stil, sein langfristiges Denken, seine internationale Perspektive.
Privatleben?
Verheiratet, lebt in Stuttgart, interessiert an klassischer Musik und Technik.
Was bedeutet sein Führungsstil für Mercedes?
Mehr Klarheit, weniger Show – und eine elektrische Zukunft mit Premiumanspruch.